Wachsende Spannungen für Energie in der Ägäis
GAS-RUSH IM MITTELMEER (TEIL 2)
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Nach dem Studium des östlichen Mittelmeers konzentriert sich William Enghdal auf vor kurzem in der Ägäis entdeckte Ressourcen, die tief greifende Umwälzungen in der geopolitischen Landschaft ankündigen. Im Falle Griechenlands, dessen Reserven und ihre Ausbeutung die Landesschulden tilgen könnten, haben die ausländischen Herren dieses Staates, der seine Souveränität verloren hat, ganz andere Pläne. So kam Hillary Clinton persönlich nach Athen, um die Interessen der Vereinigten Staaten und die ihres Ehemanns Bill in der Region zu verteidigen, wodurch sie den Spannungen mit Russland nicht wenig neue Nahrung gab.
Die Entdeckung Ende 2010 erheblicher Reserven von Erdgas in israelischen Gewässern im Mittelmeer hat die Nachbarn angespornt, ihre eigenen Gewässer genauer zu überprüfen. Die Ergebnisse zeigen, dass das ganze östliche Mittelmeer immense unerschlossene Öl und Gas Reserven enthält. Dies hat enorme politische, geopolitische, wirtschaftliche Folgen und könnte auch militärische Auswirkungen haben.
Die ersten Erkundungen haben bestätigt, dass die Öl-und Gasreserven in den Gewässern vor der Küste von Griechenland, der Türkei, Zypern und vor Syrien ganz beeindruckend sind.
Der griechische Energie-Sirtaki
Mit der verheerenden finanziellen Krise des Landes ist es nicht verwunderlich, dass die griechische Regierung sich ernsthaft an die Suche von Öl und Gas gemacht hat. Seitdem sie die Reserven gefunden hat, begann das Land ein eigenartiges Ballett mit dem IWF und den Regierungen der Europäischen Union zu tanzen, eine Art „Energie Sirtaki“, um herauszufinden, wer diese großen Entdeckungen kontrollieren wird und damit, wem sie zuletzt zugutekommen werden.
Dezember 2010, als es noch möglich schien, die griechische Krise ohne Pläne für gigantische Rettung oder durch Privatisierung zu lösen, bildete das griechische Ministerium für Energie eine Gruppe von Experten, die die Aussichten für Öl und Gas in ihren Gewässern studieren sollten. Die Öl und Gas Industrie des Landes begann nach einer ersten kleinen Entdeckung von Erdöl im Jahr 2009 ihre Investitionen zu erhöhen. Dann wurden größere geologische Untersuchungen durchgeführt. Die ersten Schätzungen ergaben, dass die Ölmenge vor der griechischen Küste im Ionischen Meer, im Westen, 22 Milliarden Barrel und rund 4 Milliarden Barrel im Norden der Ägäis, im Osten, übertreffen würde. [1]
Die südlichen Teile des Ägäischen Meeres und des Meeres von Kreta sind noch nicht erforscht und die Zahlen könnten sich letztlich als viel höher erweisen. Ein vorheriger Bericht des nationalen griechischen Rates für Energiepolitik kündigte an: ” Griechenland ist eines der am wenigsten erforschten Länder Europas für potenzielle Ölreserven.” [2]. Laut des Analysten Aristoteles Vassilakis „die Erdgas Menge messenden Erhebungen bewerten die Reserven auf $ 9 Billionen“ [3].Auch wenn nur ein kleiner Teil davon verfügbar wäre, würde er ausreichen, die Finanzen Griechenlands und der gesamten Region radikal zu verändern.
David Hynes, der Öl-Ressourcen Experte der Tulane-Universität (New Orleans) verriet vor kurzem einem Publikum in Athen, dass Griechenland möglicherweise seine Krise und die Rückzahlung der Schulden durch die Ausbeutung der neuen Erdöl- und Erdgaslagerstätten überwinden könnte. Er schätzte, dass diese dem Land mehr als 300 Milliarden Euro in 25 Jahren einbringen könnte. Aber stattdessen muss die griechische Regierung derzeit Gehälter-Kürzungen und Renten Aussetzungen akzeptieren, um ein zweites Darlehen von der EU und dem IWF zu bekommen, was das Land nur noch tiefer auf den Weg des wirtschaftlichen Niedergangs bringen wird. [4]
Es ist bekannt, dass die Führer des IWF und der EU und auch jene von Deutschland erfordern, dass Griechenland seine Häfen und öffentliche Unternehmen, darunter natürlich die Ölgesellschaften des Staates verkaufe, um seine Schulden zu reduzieren. Im besten Fall würde der Verkauf der Anteile des Landes 50 Milliarden Euros bringen [5].Die Pläne sehen vor, dass die öffentliche Erdgas-Firma DEPA, 65 % ihrer Aktien für die Rückzahlung der Schulden privatisiere [6]. Käufer kämen wahrscheinlich vom Ausland, wie es auch für andere griechische Unternehmen in ähnlicher Situation der Fall war.
Das Problem, über die Anforderung des IWF hinaus, dass Griechenland seine Erdölvorkommen verschleudere, liegt in der Tatsache, dass Griechenland keine Ausschließliche Wirtschafts-Zone (AWZ) beantragt hat, wie es die meisten anderen Länder, die auf Öl bohren, gemacht haben. Es gab bis jetzt nur wenig Bedürfnis dazu. Eine AWZ verleiht dem Staat bestimmte Rechte auf die Bodenschätze in seinen Gewässern nach dem, im November 1994 in Kraft getretenen Dritten UNO-Übereinkommen über das Gesetz des Meeres. Kraft dieses kann eine Nation eine Exklusivität (AWZ) bis auf 200 Seemeilen vor der Küste behaupten [7].
Die Türkei hat schon gesagt, dass sie es für einen „ Kriegsakt” halten würde, falls Griechenland weiter weg in der Ägäis bohren würde [8]. Bisher hatte dies noch keine Folgen, weil keine Öl- oder Gasreserve bekannt war. Jetzt ist es jedoch eine ganz andere Frage.
Evangelos Kouloumbis, ehemaliger Minister der Industrie sagte kürzlich, dass das Land „50% seines Bedarfs mit dem im Offshore-Bereich in der Ägäis entdeckten Öl abdecken könnte und dass das einzige Hindernis der türkische Widerstand gegenüber einer möglichen griechischen Förderung sei” [9].
Auch Hillary kann tanzen
Epikaira Magazin Bericht: „Hillary kam nach Griechenland um Öl-Exploration-Verträge abzuschließen” 21. Juli 2011.
Im Juli 2011 trat Washington dem griechischen „Energie-Sirtaki“ bei. Außenministerin Hillary Clinton besuchte Athen mit Energiefragen im Auge. Sie wurde von seinem Sonderbeauftragten für Euroasiatische Energie, Richard Morningstar begleitet. Morningstar war als Berater von Präsident Bill Clinton für Energie-Diplomatie im kaspischen Becken zuständig, und einer der besonderen strategischen Agenten Washingtons in den geopolitischen Kämpfen, um die ehemalige Sowjetunion zu zerstückeln und Russland einzukreisen, als es in das Chaos durch ehemalige UdSSR-, nun pro-NATO Staaten stürzte.
Morningstar und der sehr umstrittene Matthew Bryza waren die wichtigsten Architekten in Washington von US-Projekten von Öl und Erdgas-Pipelines, die Russland und seine Lieferung von Gas zur Europäischen Union verhindern sollten. Bryza ist ein Gegner der russischen South Stream-Pipeline, die durch die Länder des Mittelmeers geht [10]. Es ist klar, dass die Obama-Verwaltung nicht neutral zu den neuen Entdeckungen von Öl und Gas steht. Drei Tage nach Hillarys Abfahrt von Athen hat die griechische Regierung die Errichtung einer neuen staatlichen Agentur vorgeschlagen, die Anrufe für Ausschreibungen auf Prospektion und Bohren verwaltet.
Morningstar ist der amerikanische Wirtschafts-Guerilla Spezialist gegen die russische Energie-Politik. Er war entscheidend für die Wahrung der umstrittenen BTC-Pipeline, welche von Baku ausgeht, über Tbilissi in Georgien und bis zum türkischen Ceyhan Hafen geht – ein kostspieliges Unternehmen, nur um einen Transit über Russland zu vermeiden. Er hat offen vorgeschlagen, dass Griechenland und die Türkei ihre historischen Auseinandersetzungen über Zypern aufgäben, sowie viele andere Fragen und zustimmten, ihre Reserven von Öl und Gas in der Ägäis gemeinsam zu verwalten. Er sagte auch der griechischen Regierung, dass sie die Zusammenarbeit mit Moskau für die South Stream-Pipeline und das Burgas-Alexandropolis-Pipeline-Projekt vergessen sollten [11].
Laut einem im Juli 2011 veröffentlichten Bericht des Politologen Aristoteles Vassilakis, sei das Ziel von Washington, das Griechenland und die Türkei zur Vereinigung ihrer Kräfte auffordert, die Erträge des Öls und Gas zu teilen. Nach seinem Bericht schlägt Washington vor, Griechenland 20 % vom Umsatz zuzuschreiben, 20 % der Türkei und dass die US-Firma Noble Energy, die bereits vor der Küste in israelischen und griechischen Gewässern bohrt, den Löwenanteil, nämlich 60 % bekommen würde [12].
Bill, der Ehemann von Außenministerin Hillary, ist Lobbymann in Washington im Namen der Noble Energy Firma [13]
Zypriotische Komplikationen
Der Zypriotische Präsident Demetris Christofias und der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu auf Zypern im Februar 2012.
Als ob diese geopolitischen Komplikationen nicht genügten, hat Noble Energy auch große Mengen von Gas vor der Küste der Republik Zypern entdeckt. Dezember 2011 verkündete das Unternehmen, dass Bohrungen in einem Gebiet gelungen wären, die mindestens 200 Milliarden Kubikmeter Erdgas versprechen. Charles Davidson, der Generaldirektor von Noble Energy, wies gegenüber der Presse hin, dass „diese neueste Entdeckung zeigt, dass dieses Becken von primärer Wichtigkeit auf globaler Ebene, in Bezug auf Quantität und Qualität ist“. [14].
Zypern ist eine komplizierte Schachfigur. Vor kurzem freigegebene Regierungsdokumente aus den 70er Jahren zeigen, dass Henry Kissinger, der damalige Außenminister, die Bewaffnung des Regimes seines ehemaligen Schülers in Harvard und Premierminister Bulent Ecevit aktiv gefördert und erleichtert habe, um in Zypern eine türkische Invasion 1974 zu organisieren, wodurch die ethnische Teilung der Insel in einen türkischen Teil im Norden und einem anderen griechischen und zypriotischen im Süden erfolgte; eine Teilung, die auch heute noch erhalten bleibt. Die Kissinger-Strategie, von den Briten unterstützt, wurde entwickelt, um einen Vorwand für eine permanente militärische US- und britische Präsenz zu schaffen, um eine militärische Abhörstation im östlichen Mittelmeer während des Kalten Krieges zu erstellen. [15]
Der griechische Teil des Südens, wo Noble Energy große Vorkommen von Gas entdeckt hat, ist heute Mitglied der EU. Sein Präsident, Demetris Christofias, ist der einzige kommunistische Führer der Europäischen Union. Er ist auch ein enger Freund von Israel und Russland. Darüber hinaus ist er sehr kritisch gegenüber der US-Außenpolitik sowie jener der Türkei [16].
Im Moment plant Israel eine Unterwasser Gasleitung vom israelischen Feld der Levante durch die Hoheits-Gewässer von Zypern bis zum griechischen Festland, zur Versorgung des EU-Marktes. Die Regierungen von Zypern und Israel einigten sich auf die Abgrenzung von ihren jeweiligen Wirtschaftszonen, und ignorierten dabei die Türkei. Letztere bedrohte Zypern offen aufgrund seiner Vereinbarung mit Noble Energy. Russland reagierte, indem es erklärte, dass es die türkischen Drohungen gegen Zypern nicht dulden würde, was die russisch-türkischen Beziehungen noch ein bisschen mehr kompliziert macht [17].
Die türkisch-israelischen Beziehungen andererseits, einst freundschaftliche Beziehungen, werden in den letzten Jahren unter Erdogans Außenpolitik zunehmend angespannt. Ankara äußerte seine Besorgnis über die jüngsten Zusammenhänge zwischen Israel und seinen historischen Gegnern, Griechenland und dem griechischen Teil Zyperns. Die türkische Nordzypern Republik, Verbündete der Republik Türkei, fürchtet, nicht mit Recht in der gemeinsamen Nutzung von Gas behandelt zu werden, nachdem Israel und Nicosia eine Vereinbarung trafen, welche die 250 Kilometer des Meeres zwischen den beiden Partnern aufteilt. [18]
Es wird deutlich, vor allem wenn wir gleichzeitig auf die Karte des östlichen Mittelmeers schauen, dass der wilde Appetit für Öl und Gas und deren Betrieb den Grundstein eines groß angelegten Konflikts in der Gegend legt, welcher die strategischen Interessen der Vereinigten Staaten, Russlands, der Europäischen Union, Israels, der Türkei, Syriens und des Libanon betrifft.
F. William Engdahl ist ein Journalist der Vereinigten Staaten, Spezialist der energetischen und geopolitischen Fragen. Letztes veröffentlichte Werk :Gods of Money: Wall Street and the Death of the American Century (2010).¸
Übersetzung: Horst Frohlich
Notes
[1] «Greek Companies Step Up Offshore Oil Exploration-Large Reserves Possible», par Ioannis Michaletos, balkanalysis.com, 8 décembre 2010.
[2] Ibid.
[3] «Hillary came to Greece to seal oil exploration deals!», par Hellas Frappe, hellasfrappe.blogspot.com, 21 juillet 2011.
[4] «Drilling for oil in the Aegean may help ease Greece’s debt crisis», par Chris Blake, hellenext.org, 7 juillet 2011.
[5] Ibid.
[6] «Greece Considering Plugging Aegean Islands into Turkish Energy Grid», par John Daly, businessinsider.com, 22 novembre 2011.
[7] Convention des Nations Unies sur le Droit de la mer, 6ème partie, article 76, Définition du plateau continental.
[8] Chris Blake, op. cit.
[9] Ioannis Michaletos, op. cit.
[10] Hellas Frappe, op. cit.
[11] Ibid.
[12] Ibid.
[13] «Vast gas fields found off Israel’s shores cause trouble at home and abroad», par Hugh Naylor, thenational.ae, 34 janvier 2011.
[14] «Significant Natural Gas Discovery Offshore Republic of Cyprus», Communiqué de presse de Noble Energy, maritime-executive.com, 28 décembre 2011.
[15] «New documents link Kissinger to two 1970s coups», par Larisa Alexandrovna et Muriel Kane, rawstory.com, 26 juin 2007. The Cyprus Conspiracy, America Espionnage and the Turkish invasion, par Brendan O’Malley et Ian Craig, I.B. Tauris éditeur, 1999.
[16] «http://turkeymacedonia.wordpress.co…, par Yilan,turkeymacedonia.wordpress.com, 30 mai 2011.
[17] «Turkey and Cyprus Gas: More Troubles Ahead in 2012», par Stephen Blank, silkroadstudies.org, 9 janvier 2011.
[18] Hugh Naylor, op. cit.