Iraks Erschreckende Opferzahlen: 1 Millionen Tote, 4,5 Millionen Vertriebene, 1-2 Millionen Witwen, 5 Millionen Waisenkinder
Wir sind nun in der Lage die Zahl an getöteten Irakis zu schätzen, die in dem Krieg, der von der Bush-Regierung angestiftet wurde, ums Leben gekommen sind. Betrachtet man die empirischen Daten von Bushs Kriegshinterlassenschaften, so werden seine Siegesbekundungen in einem anderen Licht erscheinen. Gewiss: selbst bei seinen Anspruch auf „Stabilität” ist die letzte Entscheidung noch nicht gefallen. Die Mehrzahl der unabhängigen Analysten sind sich einige, dass es noch zu früh ist, die politischen Folgen zu beurteilen. Nach fast sechs Jahren seit der Invasion, ist das Land von einem sektiererischen politischen System und gewaltigen ungelösten Problemen zerissen, wie beispielsweise die Lage von Kirkuk zeigt.
Wir haben nun einen besseren Eindruck von den Kriegsopferzahlen. Beispielsweise schätzen die Vereinten Nationen, dass circa 4,5 Millionen Irakis vertrieben worden sind, mehr als die Hälfte davon sind Flüchtlinge, dass heisst, einer von sechs Irakis. Nur 5 Prozent haben sich im letzten Jahr entschlossen, in ihre Häuser zurückzukehren, in einer Zeit, wo die Gewalt im Vergleich zu den Jahren 2005-2007, die extrem gewalttätig waren, ein wenig abgeflaut ist. Die Verfügbarkeit von medizinischer Versorgung, sauberem Trinkwasser, funktionierenden Schulen, Arbeit und so weiter, ist nur schwer zu erfassen. Nach Angaben von Unicef, berichten viele Provinzen, dass weniger als 40 Prozent der Haushalte Zugang zu sauberen Wasser haben. Mehr als 40 Prozent der Kinder in Basra, und mehr als 70 Prozent in Baghdad, können keinem Schulunterricht beiwohnen.
Die Sterblichkeit, die durch den Krieg bedingt ist, ist ebenso sehr hoch. Zwischen den Jahren 2004 und 2007, wurden mehrere Haushaltsbefragungen durchgeführt. Obwohl Unterschiede zwischen ihnen existieren, deuten sich jedoch Übereinstimmungen von Schätzungen an. Aber es wurden keine in den letzten 18 Monaten durchgeführt, und die am zuverlässigsten Befragungen führen auf Mitte des Jahres 2006 zurück. Von den beiden Befragungen berichtet die mit der Angabe der höheren Sterblichkeit von 650.000 zusätzliche Sterberate (excess death) (Tod, der auf den Krieg zurückzuführen ist), und die andere 400.000 Tote. Der Krieg wurde für weitere zwölf zu fünfzehn Monate grausam weitergeführt, nachdem die Befragungsdaten erhoben worden sind, und begann dann etwas abzuschwächen. Iraq Body Count (IBC), eine Nichtregierungsorganisation (NRO) ansässig in London, die englischsprachige Presseberichte in Irak verwendet, um Tote der Zivilbevölkerung zu zählen, erlaubt es, die Schätzungen aus dem Jahre 2006 zu aktualisieren.
Während es wohl bekannt ist, dass die tatsächliche Zahl weitaus höher liegt, da Presseberichte unvollständig sind und sich auf Baghdad konzentieren, war der IBC dennoch in der Lage, brauchbare Trends aufzustellen, welche sehr frappierend waren. Deren Schätzungen nähern sich der 100.000, mehr als doppelt soviele wie im Juni 2006, deren Zahl 45.000 war. (Es zählen keine nicht durch Gewalt hervorgerufenen Opfer, wie beispielsweise gesundheitliche Notfälle, oder der Tod von Aufständischen). Wenn dies eine verlässliche Angabe ist, so kann eine plausible Schätzung von tatsächlichen Kriegstoten gerechnet werden, indem man die Summen aus den Haushaltserhebungen aus dem Jahre 2006 verdoppelt, welche eine weitaus verlässlichere und differenziertere Methode zur Schätzung benutzt haben, welche auf eine weitreichende Erfahrung in Epidemiologie fusst. Daher kommen wir heute im sechsten Kriegsjahr auf 800.000 bis 1,3 Millionen Kriegsopfer („zusätzliche Sterberate”).
Diese grauenvollen Zahlen machen Sinn, wenn man daneben die Opferzahlen der irakischen Behörden liest, die von 1-2 Millionen Kriegswitwen und 5 Millionen Waisenkindern berichten. Sie belegen die direkten und indirekten empirischen Daten über die „zusätzliche Sterberate” und geben Zeugnis ab über die Vertriebenen, den Hinterbliebenen, wie eine allgemeine Unsicherheit. Die Gesamtzahlen sind überwältigend: 4.5 Millionen Vertriebene, 1-2 Millionen Witwen, 5 Millionen Waisen, über eine Million Tote, so dass auf die eine oder andere Weise einen von zwei Irakern betrifft.
Selbst vorsichtig ausgedrückt, wird es schwierig sein, dies als irgendeine Form von Sieg zu bezeichnen. Es spricht Bände, wenn wir über den Wiederaufbau sprechen, bei den wir den Irakis helfen müssen, und es sollte uns vor den grausamen Kriegen warnen, für die wir anfällig sind. Jetzt wo Bush weg ist, kann die USA vielleicht den Schaden ehrlich ins Gesicht schauen, den wir angerichtet haben, und die Verantwortung, die wir davon akzeptieren müssen.
John Tirman ist Leitender Direktor an MIT’s Center for International Studies.
Originalartikel veröffentlicht am 03.02.2009
Übersetzt von Irena Fürhoff