Entfachung eines Bürgerkriegs in der Türkei aus einem syrischen Sumpf
Die Türkei selbst ist, durch seine Beteiligung an der US-geführten Belagerung gegen Syrien, eine wichtige Zielscheibe für Destabilisierung, Umbruch und letztlich Balkanisierung. Ankara hat um seiner neo-osmanischen Regionalpolitik willen seine Brücken nach Syrien verbrannt. Die türkische Regierung betreibt aktiv einen Regimewechsel, spioniert in Syrien für die NATO und Israel, verletzt die syrische Souveränität, unterstützt Akte des Terrorismus und Gesetzlosigkeit, und bietet logistische Unterstützung für den Aufstand innerhalb Syriens.
Alle Chancen für eine Form regionaler türkischer Führung unter neo-osmanischen Vorzeichen sind geschwunden. Die südlichen Grenzen der Türkei sind in geheimdienstliche und logistische Drehscheiben für die CIA und den Mossad verwandelt worden, vervollständigt mit einem geheimdienstlichen “Nervenzentrum” in der türkischen Stadt Adana. Trotz Dementis der Türkei sind Berichte über Adana unbestreitbar und türkische Offiziere wurden auch bei verdeckten militärischen Operationen gegen die Arabische Republik Syrien festgenommen. Die türkische Arbeiterpartei hat sogar gefordert, dass der US-Generalkonsul in Adana als “Drahtzieher und Anleiter der Aktivitäten syrischer Terroristen” abgeschoben werde. Mehmet Ali Ediboglu und Mevlut Dudu, zwei türkische Parlamentsabgeordnete, haben ausgesagt, dass ausländische Kämpfer Häuser an der Grenze der Türkei zu Syrien angemietet und dass türkische Krankenwagen dabei geholfen hätten, Waffen für die Aufständischen in Syrien zu schmuggeln.
Regionale Isolierung der Türkei
Wenn der syrische Staat zusammenbricht, wird die benachbarte Türkei der größte Verlierer sein. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und seine Regierung sind töricht, die Türkei auf eine Katastrophe auszurichten. Abgesehen von den historisch schlechten Beziehungen Ankaras zu Armenien, hat Erdogan es geschafft, im Alleingang das Land von Russland und von dreien der wichtigsten Nachbarn der Türkei zu entfremden. Dies hat die türkische Wirtschaft geschädigt und unterbricht den Fluss türkischer Waren. Es hat auch schon hartes Durchgreifen gegen Aktivisten im Zusammenhang der türkischen Politik gegen Damaskus gegeben. Ebenso ist die Freiheit der türkischen Medien betroffen; Erdogan hat mit der Gesetzgebung zur Einschränkung der Medienfreiheit weiter gemacht. Ministerpräsident Erdogan und der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu haben sogar beide Reporter angegriffen, „die die Aussagen von Präsident Assad in Cumhuriyet zitiert haben, und werfen ihnen Verrat vor, weil sie die offizielle türkische Darstellung zu dem in [sic.] Syrien [wegen Spionage] abgeschossenen türkischen Kampfflugzeug in Frage gestellt haben.“
An der Ostflanke der Türkei bauen sich Spannungen sowohl mit dem Irak als auch dem Iran auf. Bagdad überprüft seine diplomatischen Beziehungen mit der türkischen Regierung, weil Ankara die kurdische Regionalregierung im Nordirak ermuntert, unabhängig von der irakischen Bundesregierung zu handeln. Erdogans Regierung hat dies teilweise wegen der standhaften Opposition Bagdads gegen einen Regimewechsel in Syrien und zum Teil wegen der Stärkung der Allianz des Irak mit dem Iran getan. Teheran hat auf der anderen Seite die visafreie Einreise von türkischen Staatsbürgern in Iran gestoppt und warnte die türkische Regierung, dass sie in Syrien die Flammen eines regionalen Feuers anfacht, das letztendlich auch die Türkei verbrennen würde.
Wachsende innere Spaltungen in der Türkei
Trotz aller patriotischen Reden der türkischen Regierung, um das türkische Volk gegen Syrien zu sammeln, ist die Türkei eine über Erdogans Feindseligkeiten mit Damaskus sehr geteilte Nation. Ein wesentlicher Teil der Nationalversammlung der Türkei oder des türkischen Parlaments und der Oppositionsparteien verurteilen Erdogan dafür, das türkische Volk irrezuführen und ihr Land in eine Katastrophe zu bewegen. Außerdem wachsen unter den Bürgern der Türkei die Ressentiments gegen Erdogans Zusammenarbeit mit den USA, der NATO, Israel und den arabischen Diktaturen – wie Katar und Saudi-Arabien – gegen die Syrer und andere. Eine Mehrheit der türkischen Bürger ist gegen die türkischen Beziehungen zu Israel, die Beherbergung von NATO-Einrichtungen in der Türkei, das Raketenschild-Projekt und die Zusammenarbeit mit den USA im Nahen Osten.
Die Republikanische Volkspartei, die zweitgrößte politische Partei und wichtigste Oppositionspartei in der Türkei, hat die Regierung in Ankara wegen Syrien verurteilt. Ihr Anführer, Kemal Kilicdaroglu, hat Ministerpräsident Erdogan offen der Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Syrien beschuldigt. Andere politische Parteien der Türkei schlossen sich Kilicdaroglu in dem Urteil über Erdogan und seine regierende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung an. Devlet Bahceli, der Führer der Partei der Nationalistischen Bewegung, hat die türkische Regierung davor gewarnt, sein Land durch Einmischung in einen Krieg mit Syrien zu ziehen. „Einige westliche Länder üben Druck auf die Türkei aus für eine Intervention in Syrien. Die Türkei sollte nicht in diese Falle tappen“. Bahceli, der die drittgrößte türkische politische Partei führt, hat nach der türkischen Presseberichten Erdogan gewarnt. Die Partei für Frieden und Demokratie, die die viertgrößte türkische politische Partei ist, hat ebenfalls klargestellt, dass sie gegen einen Krieg mit Syrien ist. Der Politiker Selahattin Demirtas, der einer der Führer der Partei für Frieden und Demokratie ist, hat davor gewarnt, dass jede militärische Intervention von Ankara in Syrien die Türkei in einen größeren regionalen Krieg ziehen würde. Hasan Basri Ozbey, der stellvertretende Führer der türkischen Arbeiterpartei, hat angekündigt, dass seine Partei eine Klage gegen den türkischen Präsidenten Abdullah Gül beim türkischen Parlament und dem türkischen Höchsten Gericht erheben wird, um Gul rechtlich zu belangen, weil die Arbeiterpartei „hat klare Hinweise darauf“ habe, „dass [Gul] Terrorismus und Krieg gegen Syrien angestiftet und ein geheimes Abkommen mit den Vereinigten Staaten unterzeichnet hat, das allein schon Grund zu einem Verfahren ist.“ Mustafa Kamalak, der Führer der Partei der Glückseligkeit, hat sogar eine türkische Besuchsdelegation zu Bashar Al-Assad geleitet, um ihre Unterstützung für Syrien und den Widerstand gegen Erdogans Politik zu zeigen.
Die Mobilisierung des türkischen Militärs an der syrischen Grenze als eine Demonstration der Stärke ist eine psychologische Taktik, um das syrische Regime einzuschüchtern. Eine groß angelegte militärische Operationen gegen die Syrer wäre sehr gefährlich für die Türkei und könnte die türkischen Streitkräfte spalten. Teile des türkischen Militärs sind im Widerspruch zur türkischen Regierung und das Militär selbst ist über die türkische Außenpolitik geteilt. Erdogan traut nicht einmal der Hälfte der eigenen militärischen Führung und hat 40 von ihnen wegen Plänen, ihn zu stürzen, verhaftet. Wie kann er eine solche Streitkraft aussenden, um das benachbarte Syrien anzugreifen oder denken, dass er sie in einem ausgeweiteten Krieg kontrollieren könnte?
Die Gefahr eines “Rückstosses” aus Syrien
Während die Türkei tönt, dass sie nicht zulassen wird, dass kurdische Milizen Basen im Norden Syriens etabliert, erleichtert die türkische Regierung selber tatsächlich eben dies. Es besteht für die Türkei die reale Gefahr eines “Rückstosses” aus Syrien. Wie Syrien ist die Türkei ein Kaleidoskop von verschiedenen Völkern und Glaubensrichtungen. Die Menschen in der Türkei sind durch den Vorrang der türkischen Sprache und eine gemeinsame Staatsbürgerschaft zusammen gehalten. Türkeis Minderheiten machen mindestens ein Drittel des Landes aus. Ein erheblicher Anteil der türkischen Minderheiten haben Verbindungen zu Syrien, dem Irak, oder Iran.
Die Kurden und andere ähnliche iranische Völker allein bilden etwa 25% der türkischen Bevölkerung, was bedeutet, dass einer von vier türkischen Staatsangehörigen kurdische und iranische Wurzeln hat. Andere ethnische Minderheiten sind Araber, Armenier, Assyrer, Aserbaidschaner, Bulgaren und Griechen. Noch nie standen exakte Zahlen zur Verfügung über die schiitischen Muslime der Türkei, aufgrund der historischen Verfolgung und Einschränkungen für schiitische Muslime in der Türkei aus der osmanischen Zeit. Irgendetwas von 20% bis 30% oder mehr der türkischen Bevölkerung kann als schiitische Muslime, was Aleviten, Alawiten und Imamiten umfasst, eingeordnet werden. Die Türkei hat auch eine kleine christliche Minderheit, von denen einige historische oder organisatorische Verbindungen zu Syrien haben wie die türkischen Aleviten und ethnischen Araber. Die Türkei würde auf die eine oder andere Weise aufgezehrt werden, sollte sich ein breiterer sektiererischer Konflikt von aus Syrien verbreiten und sollten die Syrer entlang konfessioneller Bruchlinien aufgeteilt werden.
Die selbstzerstörerische Verwicklung der Türkei in Syrien
Alle oben diskutierten Faktoren sind ein Beleg für eine Katastrophe. Der Bürgerkrieg in der Türkei ist eine reale Möglichkeit in einem zunehmend polarisierten türkischen Staat. Sollte Syrien brennen, wird die Türkei letztendlich auch brennen. Deswegen warnt ein ganzes Spektrum türkischer politischer Führer ihr Land und die Menschen, dass die Folgen für das Feuer, das Erdogan, Davutoglu und Gül in Syrien anfachen, verheerende Folgen für die Türkei und alle Anrainerstaaten Syriens haben wird.
Erdogans Regierung hat es geschafft, die Türkei seinen wichtigsten Nachbarn zu entfremden, die türkische Wirtschaft zu schädigen und die eigenen Landesgrenzen zu destabilisieren. Dies ist jedoch nur die Spitze des Eisbergs im Vergleich zu den Zerstörungen, die sie für die Türkei auslösen könnten. Die Türken sind in eine Falle gegangen, in die sie für eine selbstzerstörerische Kamikaze-Operation gegen Syrien gerissen worden sind. Die US-geführte Belagerung Syriens beabsichtigt, Chaos im gesamten Nahen Osten zu schaffen und mehrere regionale Konflikte zu entfachen. Gewalt und die Konflikte von Syrien ausgehend sollen den Libanon und den Irak auszehren. Inmitten diesen Tumult wird die Türkei gezerrt, um geschwächt und gespalten zu werden – so wie die USA, die NATO und Israel es in ihrem Projekt eines „neuen Nahen Ostens“ ins Auge gefasst haben.
Quelle: Strategic Culture Foundation