„Die Waffen nieder!“ Mensch erwache! „Krieg ist die Glorifizierung der Gewalt”

Krieg ist die Glorifizierung der Gewalt

Theme:

Alle Artikel von Global Research können in 51 Sprachen gelesen werden, indem Sie die Schaltfläche Website übersetzen unterhalb des Namens des Autors aktivieren.

Um den täglichen Newsletter von Global Research (ausgewählte Artikel) zu erhalten, klicken Sie hier.

Folgen Sie uns auf Instagram und Twitter und abonnieren Sie unseren Telegram-Kanal. Sie können die Artikel von Global Research gerne weiterveröffentlichen und mit anderen teilen.

***

Wer ernsthaft darüber nachdenkt, wie der Dritte Weltkrieg noch gestoppt und eine mögliche „Endlösung der Menschheitsfrage“ verhindert werden kann, dem sei Bertha von Suttners 1889 in Deutsch erschienener Roman mit dem aufrüttelnden Appell „Die Waffen nieder“ zu empfehlen. An ihren Gedanken, Hinweisen und Anregungen kann man sich noch heute orientieren. Allein die Frage, wieso die Kinder der Menschen von Herrschenden immer wieder auf Schlachtfelder befohlen werden, diesen Befehlen gehorsam folgen und dort „geschlachtet“ werden, konnte sich zu jener Zeit noch niemand hinreichend erklären. Diese Frage wurde erst durch die Erkenntnisse der psychologischen Forschung beantwortet.

„Der Weltfrieden ist keine Frage der Möglichkeit, sondern der Notwendigkeit.“

„Bertha von Suttner hat ihren Roman ‘Die Waffen nieder‘ zu einer Zeit geschrieben, da Europas Völker zwar die beiden Weltkriege noch vor sich hatten, aber in eine Reihe von blutigen Auseinandersetzungen verstrickt waren (…). Schon als junge Frau hat Bertha von Suttner sich selbst und anderen die Frage gestellt, ob die Menschen nicht zu Besserem fähig seien, als sich gegenseitig umzubringen. Diese Fragen nach dem Warum des Leiden-Zufügens und Leiden-Erduldens endet bei Bertha von Suttner in dem aufrüttelnden Appell ‚Die Waffen nieder!‘ – aber es bleibt nicht beim Appell.“ (1)

Das sind die Worte des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt am 1. Juni 1977 im Geleitwort der zweiten Ausgabe des Buches.

Bertha von Suttners Leitmotiv ihres Lebenskampfes für den Frieden lautete:

„Der Weltfrieden ist keine Frage der Möglichkeit, sondern der Notwendigkeit. (…) Die Höherentwicklung der Welt muß auf dem Weltfrieden basieren.“ (2)

Dieses Zitat ist der Einführung des österreichischen Kulturhistorikers Friedrich Heer zur zweiten Ausgabe des Buches entnommen. Es gilt noch heute.

Ende 1889 erschien die erste Auflage des Buches „Die Waffen nieder!“. Es wurde in fast alle europäischen Sprachen übersetzt. Der große russische Dichter Leo Tolstoi, Prophet der Gewaltlosigkeit und Anreger von Mahatma Gandhi, schrieb laut Friedrich Heer in einem Brief an Bertha von Suttner: „Die Abschaffung der Sklaverei war das berühmte Werk einer Frau, H. Beecher-Stowe, vorausgegangen. Gott möge es so fügen, dass die Abschaffung des Krieges Ihrem Werke folge.“ (3)

Am 10. Dezember 1905 erhielt Bertha von Suttner als erste Frau den von ihr selbst angeregten Friedensnobelpreis. Alle ihre Bücher haben das moderne europäische Bewusstsein mitgeprägt.

Krieg ist die Glorifizierung der Gewalt

Bertha von Suttner war der festen Überzeugung, dass Krieg eine aus den Zeiten des Barbarismus überkommene Institution sei, welche durch die Zivilisation beseitigt werden müsse. Das wahre Gesicht des Krieges sei das Gesicht „sinnloser, brutaler Zerstörung und Vernichtung“. Er war für sie Barbarei, Kannibalismus, Menschenopfer und „die Vorbereitung zur ‚Endlösung‘ der Menschheitsfrage“ (4). Dem ist nichts hinzuzufügen.

In ihrem Buch zitiert Bertha von Suttner einen Gesprächspartner mit folgender Aussage:

„Jeder Krieg – was immer dessen Ausgang sei – enthält unweigerlich den Keim eines folgenden Krieges in sich. Ganz natürlich: ein Gewaltakt verletzt immer irgend ein Recht. Dieses erhebt über kurz oder lang seine Ansprüche und der neue Konflikt bricht aus – wird dann von neuem durch unrechtsschwangere Gewalt zum Austrag gebracht – und so ins Unendliche.“ (5)

Zum Verhältnis der Kirche zum Krieg ergänzt der linkskatholische Intellektuelle Friedrich Heer:

„Die bedeutendste Anregung, die Bertha von Suttner im Westen, in Paris zunächst, erhält, kommt von der englischen und amerikanischen Friedensbewegung her. Während die europäischen Großkirchen bis zum heutigen Tage an dem ‚Gott der Heerscharen‘, an dem Bündnis von ‚Thron und Altar‘, an der Billigung des Krieges (wobei j e d e r Krieg als ‚Verteidigungskrieg‘ ausgegeben werden kann) festhalten, hat sich im amerikanischen und englischen religiösen Nonkonformismus, in evangelischen Freikirchen, vor allem aber bei den Quäkern vom 16. und 17. Jahrhundert her eine Tradition eines religiös fundierten Pazifismus

Entwickelt: der Mensch ist verpflichtet, dem Menschen ein ‚Frieder‘ zu sein (…): ein Mensch, der Frieden gibt, Frieden macht, Frieden stiftet.“ (6)

Ursachen des Krieges 

Siegmund Freud führte zwischen den beiden Weltkriegen mit dem Todestrieb einen sehr umstrittenen Begriff in die Theorie der Psychoanalyse ein. Albert Camus sprach daraufhin in seiner Dankesrede für die Verleihung des Nobelpreises von einem verdeckte Todes- und Selbstmorddrang der damaligen Gesellschaft.

Bertha von Suttner durchschaute nach Auffassung Friedrich Heers die „Lebensschwäche“ vieler Männer und Zeitgenossen. Er schreibt:

„Diese Lebensschwäche ist mit Denkschwäche und Liebesschwäche eng verbunden, und produziert jenen unheimlichen Fatalismus des ‚Gehen-Lassens‘, der Feigheit vor der Verantwortung für die Hütung des Lebens. (…) Die meisten denken nicht.“ (7)

Im Geleitwort sagt Willy Brandt:

„In den von ihr aufgezeichneten Gesprächen mit dem Vater, dem Mann und vielen Freunden, mit Geistlichen, Ministern und hohen Offizieren spiegelt sich das Denken jener Epoche so eindringlich wider, dass man auch jetzt noch nacherleben kann, was die Menschen damals bewegte. Da finden wir jene, die meinen, Krieg sei die Wurzel alles Hehren, Großen und Schönen. Wir erleben die anderen, die in dumpfer Ergebenheit oder weil sie so erzogen wurden, überhaupt nicht darüber nachdenken, warum erwachsene Männer, die sich nie etwas getan haben, plötzlich wie wilde Tiere aufeinander losschlagen und sich töten. Und da finden wir die Gedanken jener, die eine friedliche Lösung der Konflikte unter den Völkern anstreben.“ (8)

Auch wenn die erwähnten Erklärungsansätze nicht falsch sind und das Erziehungsproblem bereits erwähnt wurde, klären erst die Erkenntnisse der wissenschaftlichen Psychologie darüber auf, dass die Menschen keine genetisch determinierten Todes-, Selbstmord- oder Aggressionstriebe besitzen und es deshalb nicht ihrer Natur entspricht, sich selbst oder die Mitmenschen umzubringen.

Tatsache ist, dass Kriege für die Herrschenden und ihre Politiker ein gutes Geschäft sind und die Menschen jeden Alters leider nicht in der Lage sind, dem Aufruf dieser „Autoritäten“ zum Völkermord nicht zu folgen. Die autoritäre Erziehung hat so auf ihr Gefühlsleben eingewirkt, dass sie gehen müssen. Dieses Gefühl des absoluten Gehorsams aus der Kindheit tragen sie bis ins hohe Alter mit, ist ihnen aber nicht bewusst. Deshalb können und dürfen wir sie nicht verurteilen. Doch dieser unbewussten Gefühlsanteile können sie sich bewusstwerden und ihr Verhalten ändern.

Charakter (Persönlichkeit), Verhalten und intellektuelle Fähigkeiten entwickeln sich auch im Rahmen des soziokulturellen Milieus

Wenn wir davon ausgehen, dass der Mensch in der Erziehung „wird“, dann ist das menschliche Gefühlsleben nicht allein als Resultat der Eltern-Kind-Beziehung, der Stellung in der Geschwisterreihe und anderen familiären Konstellationen zu verstehen. Entscheidend sind die in einer Kultur vorherrschenden Werte und die mit ihnen korrespondierenden Gefühle, als deren Vermittler Eltern, Lehrer und Erzieher täglich an das Kind herantreten.

Bertha von Suttner ist zum Beispiel in einer Familie von Offizieren aufgewachsen, die es als großes Glück empfanden, für ihren Fürsten auf dem Felde der Ehre kämpfen und sterben zu dürfen. Obwohl sie von diesem soziokulturellen Milieu geprägt worden war, hat sie den Kampf gegen die lebensfeigen Mitmenschen, die durch eine falsche Erziehung fehlgeleitet sind, mutig aufgenommen.

Nach der Devise, dass nicht der Mensch krank sei, sondern die Gesellschaft, müsste auch heute von den aufgeklärten Zeitgenossen alles unternommen werden, um eine allen Menschen entsprechende Sozialordnung zu schaffen. Die Welt wird nur genesen und die Menschheit weiterkommen, wenn sich die Menschen in absoluter Freiwilligkeit und Gewaltlosigkeit zusammenschließen (assoziieren) und überlegen, wie sie ihre Probleme gemeinsam lösen können. Auch hierzu kann Bertha von Suttner aus Ihrer Lebenserfahrung einiges beisteuern.

Wie die öffentliche Meinung ändern?

Von der bereits erwähnten westlichen Friedensbewegung ausgehend, erarbeitete sich Bertha von Suttner die Leitlinien ihres eigenen Kampfes für den Frieden. Diese lassen sich nach Auffassung Friedrich Heers etwa so zusammenfassen:

„Wer für den Frieden kämpfen will, muss die politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Verhältnisse in jedem Falle, der zum Kriegsfalle werden kann, studieren. Wer die öffentliche Meinung ändern will, muß sich mit einem tausendjährigen Fatalismus, gepredigt durch die Kirchen, mit einer tausendjährigen Heiligung des Kriegs durch Theologen, auseinandersetzen. Wer für den Frieden kämpfen will, muß sowohl die Massen ansprechen – die Suttner wurde eine hervorragende Rednerin, die sich jeweils auf das seelische Klima sehr gut einstellen konnte – sei es in Frankreich, in Deutschland oder in Amerika – und er muß sich bemühen, an die Verantwortlichen heranzukommen, an die Staatsmänner, an die führenden Politiker, an

einflussreiche Männer der Wirtschaft, der Gesellschaft, der Presse. Das alles nimmt Bertha von Suttner auf sich: eine Frau, die es mit der Lethargie, dem stumpfen Sinn der Massen, mit der anerzogenen Kriegsgläubigkeit der Frauen, gerade auch der Frauen in den führenden Gesellschaftsschichten, mit dem Konformismus von Männern, aufnimmt, die oft gegen besseres Wissen ‚mitmachen‘.“ (9)

Mensch erwache – zu deiner Menschenpflicht

Auf diesen Appell von Immanuel Kant, dem größten Denker des Friedens in Deutschland, beruft sich auch Bertha von Suttner. Hierzu schreibt Friedrich Heer am Ende seiner Einführung:

„Der Ruf ‚Mensch erwache‘, erhoben von Bertha von Suttner zwischen 1889 und 1914, wird nicht mehr verstummen und wird sich nähren und kräftigen an der Denkkraft und Tatkraft der Frau, die 1899 dies zu erklären wagte: ‚Das 20. Jahrhundert wird nicht zu Ende gehen, ohne dass die menschliche Gesellschaft die größte Geisel, den Krieg, als legale Institution abgeschafft haben wird‘.“ (10)

Wenige Wochen vor Beginn des Ersten Weltkriegs, vor dem sie wiederholt gewarnt hatte, verstarb die große österreichische Pazifistin, Friedensforscherin und Schriftstellerin.

Gemäß eines überlieferten Nachrufs waren ihre letzten Worte:

„Die Waffen nieder! – – sag‘s vielen – – vielen.“ (11)

*

Hinweis an die Leser: Bitte klicken Sie auf die obigen Schaltflächen zum Teilen. Folgen Sie uns auf Instagram und Twitter und abonnieren Sie unseren Telegram-Kanal. Fühlen Sie sich frei, Artikel von Global Research erneut zu veröffentlichen und zu teilen. 

Dr. Rudolf Lothar Hänsel ist Schul-Rektor, Erziehungswissenschaftler (Dr. paed.) und Psychologe (Dipl.-Psych.). Nach seinen Universitätsstudien wurde er wissenschaftlicher Lehrer (Professor) in der Erwachsenenbildung: unter anderem Leiter eines freien Schul-Modell-Versuchs und Fortbildner bayerischer Beratungslehrkräfte und Schulpsychologen. Als Pensionär arbeitete er als Psychotherapeut in eigener Praxis. Bei einer Öffentlichen Anhörung zur Jugendkriminalität im Europa-Parlament war er Berichterstatter für Deutschland. In seinen Büchern und Fachartikeln fordert er eine bewusste ethisch-moralische Werteerziehung sowie eine Erziehung zu Gemeinsinn und Frieden. Für seine Verdienste um Serbien bekam er 2021 von den Universitäten Belgrad und Novi Sad den Republik-Preis „Kapitän Misa Anastasijevic“ verliehen.

Noten

1. Suttner, Bertha von (1977). Die Waffen nieder! Mit einem Geleitwort von Willy Brandt und einer Einführung von Friedrich Heer. Hildesheim, S. V

2. O., S. XVII

3. O., S. XIV

4. O., S. VII

5. O., S. 123

6. O., S. XIII

7. O., S, XI

8. O., S. V

9. O., S. XIIIf.

10. O., S. XXI

11. https://de.wikipedia.org/wiki/Bertha_von _Suttner


Comment on Global Research Articles on our Facebook page

Become a Member of Global Research


Articles by: Dr. Rudolf Hänsel

Disclaimer: The contents of this article are of sole responsibility of the author(s). The Centre for Research on Globalization will not be responsible for any inaccurate or incorrect statement in this article. The Centre of Research on Globalization grants permission to cross-post Global Research articles on community internet sites as long the source and copyright are acknowledged together with a hyperlink to the original Global Research article. For publication of Global Research articles in print or other forms including commercial internet sites, contact: [email protected]

www.globalresearch.ca contains copyrighted material the use of which has not always been specifically authorized by the copyright owner. We are making such material available to our readers under the provisions of "fair use" in an effort to advance a better understanding of political, economic and social issues. The material on this site is distributed without profit to those who have expressed a prior interest in receiving it for research and educational purposes. If you wish to use copyrighted material for purposes other than "fair use" you must request permission from the copyright owner.

For media inquiries: [email protected]